Wild und Erholung
Fragen an Marcel Tschan, Leiter der Abteilung Jagd und Fischerei, Kanton Solothurn
Welche konkreten Auswirkungen hat die Erholungsnutzung auf das Wild?
Die negativen Auswirkungen auf das Wild ergeben sich durch die Störung im Tagesablauf der Wildtiere, den Verlust an Lebensraum und durch Stress. Dadurch wird weniger Nahrung aufgenommen, Kondition und Konstitution der Wildtiere verschlechtern sich. Im Winter sind Störungen besonders gefährlich, da jede Flucht sehr viel Energie braucht, die nicht ohne weiteres wieder aufgenommen werden kann. Neue Untersuchungen haben beispielsweise ergeben, dass für den Hirsch winterliche Störungen noch viel schlimmer sind, als bisher angenommen. Aber auch während der Tragzeit oder kurz danach sind die Tiere sehr empfindlich. Auch frei laufende Hunde, die Tiere jagen oder Jungtiere aufstöbern sind ein Problem. Im Kanton Solothurn verzeichnen wir jährlich 30 bis 40 von Hunden gerissene Wildtiere. Die Dunkelziffer dürfte noch weit höher liegen.
Gibt es Massnahmen, die helfen können?
Wirksame Massnahmen zur Verminderung von Störungen sind nicht ganz einfach zu ergreifen. In Graubünden hat man gute Erfahrungen damit gemacht, dass vor allem im Winter Wildruhegebiete ausgeschieden und mit einem generellen Betretungsverbot belegt wurden. Dabei ist nicht nur das Verbot an sich, sondern insbesondere dessen Durchsetzung von grosser Bedeutung.
Hunde müssen gemäss Gesetz im Mai und Juni im Wald an der Leine gehalten werden. Wichtig ist weiter, dass sie nicht in dichte Waldränder und Dickichte eindringen. Auch in der übrigen Zeit müssen sie stets abrufbar sein, also auf Befehl zum Besitzer zurückkehren. Fehlbaren Hundehaltern kann eine Leinenpflicht für ihren Hund verordnet werden.
Gegen Motorfahrzeuge im Wald helfen oft nur Barrieren; Verbotstafeln wirken etwas weniger überzeugend.
Sind Probleme mit Motorfahrzeugen im Wald häufig?
Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass die Störungen mit der Erschliessungsdichte zunehmen. Wo Erschliessungsanlagen bestehen, werden sie auch benutzt. Wir haben eine sehr hohe Dichte von Strassen und Wegen im Wald. Das Waldgesetz verbietet das Befahren von Waldstrassen mit Motorfahrzeugen. In den Gebieten Thal und Leberberg sind Crossmaschinen, bisher hauptsächlich zweirädrige, auf Waldstrassen vermehrt anzutreffen. Vereinzelt habe ich auch schon von Motorschlitten gehört. Diese sehr lauten, schnellen Fahrzeuge bedeuten für das Wild eine grosse Belastung. Sie tauchen oft unvermittelt auf und erschrecken und verängstigen die Tiere massiv.
Und die Mountainbiker?
Mountainbiker sind, solange sie sich an die Waldstrassen halten, wenig problematisch. Ebenso Wanderer, solange sie auf den Wegen bleiben. Das Wild gewöhnt sich daran, dass von den Wegebenützern keine Gefahr ausgeht. Diese beiden Benutzer-Gruppen von Wegen in sensiblen Gebieten abzuhalten ist hingegen extrem schwierig.
Gerade wird zwischen Grenchenberg und Weissenstein ein neuer Bikeweg eingerichtet, auf dem beispielsweise in einem sensiblen Gebiet nicht angehalten und gerastet werden soll.
Gibt es auch positive Effekte der Erholungsnutzung auf das Wild?
Mir sind keine bekannt. Der Aufenthalt in der Natur mag zwar ein gewisses Interesse fördern. Oft bestehen aber nicht zutreffende, verniedlichende oder idealisierte Vorstellungen. Die komplexen Zusammenhänge lassen sich nicht ohne weiteres vermitteln.
Wie sollen sich Waldbesucher verhalten?
Fussgänger und Radfahrer sollen auf den Wegen bleiben, Hunde unter Kontrolle halten und Dickichte meiden. Unnötiger Lärm sollte ebenfalls vermieden werden.
Interview: Geschäftsstelle BWSO (Bürgergemeinden- und Waldeigentümer Verband Kanton Solothurn)