Rechtliche Fragen zur Erholungsnutzung im Wald
Interview mit Jürg Froelicher, Chef Amt für Wald, Jagd und Fischerei des Kantons Solothurn
Die Schweizer Bevölkerung ist in der glücklichen Lage, dass die Wälder nicht nur gut erschlossen sind, sondern auch weitestgehend frei begangen werden dürfen (Zivilgesetzbuch ZGB, Art. 699 Abs. 1). Die Waldeigentümer können diesen Zugang nur beschränken, wenn es für die Verjüngung oder aus Gründen des Naturschutzes notwendig ist. Die Waldeigentümer können den freien Zugang (Betretungsrecht) nicht selber einschränken. Vielmehr haben die Waldeigentümer das Betreten zu dulden und alles zu unterlassen, was die Zugänglichkeit einschränken könnte. Für Einschränkungen der Zugänglichkeit ist der Regierungsrat zuständig (§ 6 WaGSO). Wenn sich beispielsweise aus naturschützerischen Gründen (oder einem anderen öffentlichen Interesse) für eine bestimmte Waldfläche eine Einschränkung des freien Zugangs aufdrängt, könnte der Regierungsrat unter Anhörung der Waldeigentümer und allfällig betroffener Dritter (§ 14 WaVSO) eine Schutzverfügung erlassen.
Der Waldeigentümer muss also das Betreten seines Waldes erdulden. Welche Rechte stehen dieser Pflicht gegenüber?
Die gesetzliche Einschränkung der Eigentumsfreiheit hat keine Entschädigungspflicht zur Folge; dies analog den Grundwasserschutzzonen.
Was sind umgekehrt die Pflichten des Waldbesuchers?
Die Waldbesucher können das Betretungsrecht nur in ortsüblichem Umfang wahrnehmen / beanspruchen. Dazu hat der Gesetzgeber eine Bewilligungspflicht für grosse Veranstaltungen, resp. für solche, die sich schädlich für Natur und Umwelt auswirken können, geschaffen.
Waldstrassen wurden vorwiegend zum Zweck der Holznutzung angelegt. Kann der Wald- oder Strasseneigentümer haftbar gemacht werden für Schäden, die beispielsweise durch herunterfallende Äste oder umstürzende Bäume entstehen?
Haftungsfragen lassen sich oft nicht abschliessend beantworten, so auch nicht hinsichtlich Wald. Ganz allgemein sollte folgendes beachtet werden: „Sowenig wie hinter jedem Baum ein Haftungsproblem gesehen werden muss, sowenig kann eine Haftung im Wald generell ausgeschlossen werden. Waldeigentum verpflichtet wohl, aber nicht bedingungs- oder schrankenlos. Bei der Festlegung der Schranken kommt den beiden Begriffen Sorgfaltspflicht und Zumutbarkeit eine entscheidende Bedeutung zu. Unabhängig von der Haftungssituation ist zu fragen, ob der Waldeigentümer oder der für ihn handelnde Förster die von ihm zu erwartende Sorgfalt hinsichtlich der Überwachung, Pflege und Bewirtschaftung des Waldes aufgebracht hat. Die Erfüllung dieser Sorgfaltspflicht verlangt unter Umständen vom Waldeigentümer am Waldrand andere Vorkehrungen als innerhalb des Waldes. Ähnliches gilt aber auch hinsichtlich der Zumutbarkeit. Vom Waldeigentümer können keine unzumutbaren Massnahmen zur Vermeidung von Schäden an Personen und Sachen verlangt werden. Bei der Anwendung der beiden genannten Kriterien dürfte das Abstützen auf den so genannten «gesunden Menschenverstand» in vielen Fällen bereits eine wichtige erste praktische Hilfe sein.» (Aus: Ausgewählte Fragen des forstlichen Haftpflichtrechts. Seminar der Arbeitsgruppe Recht der Kantonsoberförsterkonferenz vom 25. Oktober 1995). «Haftungsfragen sind nicht nur im und um den Wald eine vielschichtige Materie. In der Regel können Haftungsfälle deshalb nicht nach schematischen Mustern gelöst werden. Vielmehr ist jeder Fall einer individuellen Beurteilung zu unterziehen. Für Waldeigentümer kann es deshalb angezeigt sein, im Falle eines Schadens mit möglichen Haftungsfolgen frühzeitig eine Rechtsberatung beizuziehen. Im Übrigen empfiehlt es sich für Waldeigentümer zu überprüfen, ob sie für den Haftungsfall genügend versichert sind. Eine Haftpflicht- und gegebenenfalls eine Rechtsschutzversicherung schützen zwar nicht vor einer Haftung, können aber wenigstens die finanziellen Folgen einer Haftung mildern helfen.» (Aus: Haftungsfragen in und um den Wald. Seminar von Waldwirtschaftsverband und Forstamt beider Basel vom 20. August 2000).
Inwiefern erstreckt sich das Betretungsrecht auch auf Hunde, Pferde oder Fahrzeuge?
Im Kanton Solothurn besteht, gestützt auf das Bundeswaldgesetz, nur ein Verbot für das Befahren von Wald und Waldstrassen für Motorfahrzeuge. Hinsichtlich Reiten und Mountainbiken bestehen keine generellen Verbote. Was die Hunde betrifft, kann auf die Hundegesetzgebung verwiesen werden:
§ 3 Hundegesetz: … Sie (die Hunde) sind stets unter Kontrolle zu halten.
§ 4 Hundeverordnung: Generelle Leinenpflicht herrscht
a) für alle Hunde
1. im Wald in den Monaten Mai und Juni;
2. im von den zuständigen Stellen entsprechend bezeichneten öffentlichen Räumen;
b) für einzelne Hunde,
1. wenn sie nicht unter ständiger Kontrolle gehalten werden können, insbesondere wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie unberechtigterweise jagen oder wildern;
2. wenn vom zuständigen Oberamt oder Veterinärdienst verordnet.
Gibt es häufig Probleme mit Mountainbikern?
Nein.
Motorfahrzeuge dürfen Waldstrassen nur zu forstlichen Zwecken befahren. Es ist davon auszugehen, dass die wenigsten Waldbesucher das Waldgesetz und diese Bestimmung kennen. Sind Motorfahrzeuge im Wald ein Problem?
In den Bezirken Lebern, Dorneck und Thierstein sind sämtliche Waldstrassen, für die kein Motorfahrzeugverkehr toleriert wird, entsprechend signalisiert. In den anderen Bezirken bestehen für einzelne Waldgebiete oder Wegstrecken Signalisationen. Die Notwendigkeit nach Signalisationen (Klärung der Situation) ergab sich primär aus dem Freizeitdruck der Agglomerationen (Basel, Solothurn u.a.). Sobald die Motorfahrzeuge als Problem betrachtet oder empfunden werden, werden Signalisationen und damit eine Klärung sowie Eindämmung des Fahrzeugverkehrs gefordert.
Welche Massnahmen ergreift der Kanton zur Lenkung der verschiedenen Waldbenutzer aus dem Bereich Erholungsnutzung?
Zur Lenkung der Erholungsnutzung erfolgt zurzeit keine flächendeckende (Waldentwicklungs-) Planung. Die diesbezüglichen Probleme treten auch nur punktuell und zumeist auch auf eine ganz spezielle Freizeitnutzung bezogen auf (Downhill-Strecke oder Sommerrodelbahn Weissenstein, Seilpark Balmberg, Felsenkletterei Raum Basel etc.). Die zur Zeit grössten Freizeitprobleme betreffen nach wie vor den Motorfahrzeugverkehr auf (gesperrten) Waldstrassen, Motorräder (Motocross) und Quads auf Fuss- und Wanderwegen (nicht Waldwege/-strassen) oder auf Waldareal sowie die massive Bekletterung von Felswänden (vor allem auch in Waldreservaten) im Bezirk Dorneck. Bezüglich Kletterei im Raum Basel wird seit Jahren versucht analog den OL-Veranstaltern eine Vereinbarung zu treffen, was aber an den erbitterten Widerständen der Kletterer scheiterte. Der Kanton sieht sicht deshalb voraussichtlich gezwungen, über gewisse Waldgebiete Schutzverfügungen mit entsprechenden Verboten / Einschränkungen zum Schutz von Flora und Fauna zu erlassen.
Interview: Martin Howald, Geschäftsstelle BWSO (Bürgergemeinden und Waldeigentümerverband Kanton Solothurn)